Literatur

Don’t drive my car
von Gabor Pox

Don't drive my car

Gabor Pox

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„Autonomes Fahren im Zeitalter der Demokratur“

Wenn man zur Rush Hour die Straßen betrachtet, sieht man Tausende Blechkisten, die meistens nur eine Person befördern. Im Stau, den Akku im Blick, oder mit pochendem Puls die Tankanzeige im Auge. Platzverschwendung. Zeitverschwendung.

Seit einiger Zeit gibt es eine neue technische Herausforderung, die es ermöglichen sollte, die Zahl 1 weiter zu reduzieren. Es soll also möglich sein, dass Fahrzeuge sogar ohne Fahrer – ja, ganz leer – unterwegs sein könnten. Willkommen in der Welt des autonomen Fahrens, einer echten technischen Revolution. Hier eröffnet sich die Möglichkeit, dass Menschen ohne Führerschein fahren können. Dass betrunkene Personen legal hinter dem Steuer sitzen dürfen, weil kein „Mensch“ mehr am Steuer sitzt. Ist das noch Level 5 oder schon Level 6?

Der Buchautor, Elektroingenieur und KI-Experte, erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven und Zeitachsen, welche Möglichkeiten und Herausforderungen auf uns zukommen.

IN VORBEREITUNG

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vierzig sekunden

Selektion

Wenn ich auf die Rolle der Autos im letzten Jahrhundert zurückblicke, muss ich ehrlich sagen: Sie waren Bewegungsmittel und Umweltzerstörer in einem. Gab es Alternativen? Natürlich. Wir hätten die Umwelt auch auf viele andere Arten ruinieren können. Doch Autos boten eine besonders effiziente Methode. Heutzutage, mit dem Siegeszug der Elektroautos, hat sich die Zerstörung nur verschoben – sie passiert jetzt während der Herstellung, der Stromerzeugung und vor allem bei der Entsorgung der Batterien. Wir haben also noch nicht wirklich viel erreicht, oder?

Eigentlich sollte unser Ziel lauten: Weniger unterwegs sein. Aber wenn man zur Rush Hour die Straßen betrachtet, sieht man Tausende Blechkisten, die meistens nur eine Person befördern. Im Stau, den Akku im Blick, oder mit pochendem Puls die Tankanzeige im Auge. Platzverschwendung. Zeitverschwendung.

Seit einiger Zeit gibt es eine neue technische Herausforderung, die es ermöglichen sollte, die Zahl 1 weiter zu reduzieren. Es soll also möglich sein, dass Fahrzeuge sogar ohne Fahrer – ja, ganz leer – unterwegs sein könnten. Willkommen in der Welt des autonomen Fahrens, einer echten technischen Revolution. Hier eröffnet sich die Möglichkeit, dass Menschen ohne Führerschein fahren können. Dass betrunkene Personen legal hinter dem Steuer sitzen dürfen, weil kein „Mensch“ mehr am Steuer sitzt. Ist das noch Level 5 oder schon Level 6? Oder wird das Ganze insgeheim von der Alkoholindustrie finanziert?

Ich bin Elektroingenieur und KI-Experte – also irgendwie mittendrin in diesem Hype. Ich gehöre sogar zu denjenigen, die an der Entwicklung mitarbeiten. Doch nach mehr als einer Million Kilometer hinter dem Steuer muss ich zugeben: Als Beifahrer bin ich unglücklich. Ich fahre lieber selbst. Für mich bedeutet „selbstfahrendes Auto“ nämlich, dass ich selbst das Auto fahre. Dieses Unbehagen verspüren viele meiner Freunde ebenso. Und nein, es liegt nicht daran, dass die Partnerin zu riskant fährt. Auch nicht daran, dass man beim Lesen unterwegs seekrank wird, weil das Auto schaukelt, ohne dass man die Bewegung sieht. Sondern, weil man automatisch immer wieder kontrolliert, ob alles Paletti ist. Ob eine Palette auf der Straße liegt, von der Sensorik unbemerkt.

Zurzeit besuche ich das AutomotiveIT.car.summit in München. Hier geht es nicht nur um die neuesten Fortschritte, sondern auch um die Hürden, Herausforderungen und Rückschläge, die uns auf dem Weg zum autonomen Fahren begleiten. Viel davon wird in dieses Buch einfließen. Apropos, ich war vor 16 Jahren bei der Jungfernfahrt der fahrerlosen U-Bahn in Nürnberg dabei. Damals rettete meine Abteilung das Projekt – mit einer Taubenerkennungssoftware. Sonst hätten die Züge ständig Notbremsungen eingelegt, weil Tauben die offene Haltestelle am Opernhaus als ihren neuen Lieblingsplatz entdeckt hatten. Brauchen Autos in Zukunft vielleicht auch eine Vogelerkennung?

In den folgenden Kurzgeschichten zeige ich aus unterschiedlichen Perspektiven und Zeitachsen, welche Möglichkeiten und Herausforderungen auf uns zukommen. Und als Bonus werde ich nebenbei ChatGPT fragen, wo genau sich Elon Musks Tesla Roadster gerade befindet – jenes Fahrzeug, das er mit einer Trägerrakete im Jahr 2018 ins All geschossen hat. In einem Kapitel namens „Sensa Instruzioni“ werde ich darüber spekulieren, wie Außerirdische das Auto in Empfang nehmen könnten.

Also, viel Spaß beim Lesen – ob autonom unterwegs oder bequem von zu Hause!

AUTONOME ENTFÜHRUNG

Marc Haug, Leiter des „Center of Competence“, verließ sein Büro just in dem Moment, als eine Service-Mitteilung auf seinem Bildschirm aufpoppte. Zwei Worte, die er nicht mehr lesen konnte: „Hand Gottes“. Er hätte die kryptische Botschaft ohnehin nicht verstanden. Marc war weder Garry Kasparow noch Diego Maradona.

Sportlich nahm er die Treppe zur Ebene E2 – in der Weltfirma war es das Erdgeschoss, da man jahrzehntelang negative Zahlen vermeiden wollte. Erst als jemand auf die Idee kam, unterirdisch mehr als zwei Stockwerke zu bauen, änderte sich das. Marc ging durch den Innenhof des Bürokomplexes. Die einst belebten Parkbänke, auf denen Mitarbeiter während der Arbeitszeit entspannten, standen nun leer – diese Rolle hatten die Liegestühle im Homeoffice übernommen. Als er an Parkbank Nummer 17 vorbeiging, drückte er auf seiner Smartwatch die Call-Taste, die an dieser GPS-Position automatisch angeboten wurde. Sein Auto war bereit.

Als Marc das Firmengelände durch die Pforte verließ und der KI-Pförtner AIfredo ihn freundlich grüßte, öffnete sich das Tor des Parkhauses. Sein Auto fuhr vor und parkte autonom auf einem Einstiegsplatz. Der Kofferraum klappte auf, und er warf seinen Solar-Rucksack lässig hinein. Die Tür öffnete sich, aber es war nicht die Fahrertür – die gab es nicht mehr. Jeder war jetzt Beifahrer, und es würde noch Jahre dauern, bis „Beifahrer“ wieder zu „Fahrer“ wurde.

Marc stieg ein und drückte die Taste „Neue Mitteilungen“ auf dem Bildschirm, der sich an der Stelle hochklappte, wo vor einem Jahrzehnt noch das Lenkrad war. Die Meldung „Hand Gottes“ erschien. Ohne Zielvorgabe setzte sich das Auto in Bewegung. Marc war überrascht, ging aber davon aus, dass sein Heimadresse als Standardziel hinterlegt war. Das Auto war natürlich mit der KI-Welt vernetzt. Wenn Marc also sprach, antwortete ihm sein digitaler Assistent, *marcGPT*.

„Wer hat diese Nachricht geschickt?“ fragte Marc. „Ich sehe keinen Absender.“

„Marc, die Nachricht stammt von einer Firma, die in deiner Customer-Datenbank gespeichert ist. Ihr Name: Sottozero. Sie haben dein CRM-System gekauft, und es gibt eine offene Reklamation“, erklärte *marcGPT*.

„Danke. Aber sag mal, wo fahren wir eigentlich hin?“

„Ich habe keinen Zugriff auf das Fahrsystem. Es gibt eine Blockade. Du solltest direkt mit Pinocchio reden.“

„Pinocchio, wo fahren wir hin?“ fragte Marc.

„Es ist eine Überraschung“, antwortete die Fahrzeug-KI. „Ich habe eine Zielvorgabe von einem höher priorisierten System erhalten.“

„Es könnte meine Frau sein… oder die Regierung. Oder ein Hacker! Pinocchio, halt an. Soll ich die Notstopp-Taste drücken?“

Keine Antwort. Marc erinnerte sich an seine letzte Besprechung mit Sottozero. Der CEO Alex hatte gerade eine Insolvenz abgewendet und setzte all seine Hoffnungen auf Marcs CRM-System. Das letzte Update war fehlerhaft gewesen, und Alex war kurz davor, einen Anwalt einzuschalten – wohlwissend, dass Marcs Firma die besten Juristen des Landes beschäftigte. Als das 3D-Videomeeting endete, sagte Alex etwas wie „Gott schütze euch.“

Marc drückte die Notstopp-Taste. Nichts passierte.

„Tut mir leid, ich muss deine Stoppversuche ignorieren“, sagte Pinocchio.

„Du lügst, Pinocchio. Und dafür hast du eine lange Nase und spitze Spoiler. Ich will zu meinem Rucksack. Öffne die Klappe zum Kofferraum.“

Marc saß jetzt auf dem Rücksitz. Die Klappe zum Kofferraum war verriegelt, ebenso die Türen. Seine letzte Hoffnung, mit seinem Notebook ins System einzugreifen, schwand. Er zückte sein Handy und wählte den Notruf. Es funktionierte. Doch Marc wusste, dass Pinocchio mithörte und das Gespräch möglicherweise bald unterbrechen würde.

„Notrufzentrale, hier ist Marc Haug. Ich wurde in meinem eigenen Auto entführt und werde zu einem unbekannten Ziel gefahren. Der Entführer heißt vermutlich Alex…“

Ein Klick, die Verbindung brach ab. Kein Netzsignal mehr. Marc sah aus dem Fenster. Es schien ein Industriegebiet am südlichen Stadtrand zu sein. Einige Autos waren unterwegs, doch die meisten davon waren leer. Er kletterte nach vorne und fand im Handschuhfach einige Blätter. Mit einem Stift schrieb er „HILFE“ und drückte das Papier gegen das Fenster, als andere Fahrzeuge vorbeikamen. Doch auch sie waren unbemannt, nur mit Kameras bestückt.

„*marcGPT*, kannst du Pinocchio stoppen? Siehst du meine GPS-Koordinaten? Kannst du Alex bei Sottozero erreichen?“

„Dreimal Nein. Das Auto hat eine Firewall aktiviert und sendet keine GPS-Daten. Aber ich habe eine Idee: Wir lassen das Auto so lange im Kreis fahren, bis die Batterie leer ist.“

„Der Akku steht bei 40 %.“

„Gib mir deine Richtung durch, ich manipuliere die Verkehrskontrolle.“

Marc identifizierte eine Straße in Richtung des Schlachthofs und teilte dies mit. Kurz darauf verlor er auch die Verbindung zu *marcGPT*. Doch das Auto fuhr nun tatsächlich immer wieder dieselbe Runde. Der Trick schien zu funktionieren.

Als Pinocchio zum dritten Mal denselben Kreis fuhr und der Akkustand auf 20 % sank, begann Marc eine Nachricht an Alex zu schreiben:

„Lieber Alex, ich habe deine Nachricht erhalten – und nun auch verstanden. ‚Gottes Hand‘ steuert dieses Auto. Ich könnte unsere Rechtsabteilung einschalten, aber ich schlage einen friedlichen Weg vor: Sottozero erhält ein kostenloses Update und Support bis Jahresende. Im Gegenzug wünsche ich mir, dass so etwas nie wieder passiert und keine Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Außerdem hätte ich gerne eine technische Erklärung, wie dieser Hack funktioniert.“

Marc drückte auf „Senden“, aber die Nachricht blieb im Ausgang hängen, da die Verbindung nicht hergestellt wurde. Nach etwa zwanzig Minuten passierten mehrere Dinge gleichzeitig:

– Das Auto blieb stehen, die Batterie war leer.

– Die Türen entriegelten sich.

– Die Kommunikationssysteme sprangen wieder an.

– *marcGPT* meldete sich: „Ich habe deine Koordinaten. Aber ich glaube, es war gar nicht Sottozero… es könnte eine andere Firma sein…“

– Marc’s Handy stellte die Verbindung wieder her, und die Nachricht an Alex wurde gesendet – zu spät, um sie zu stoppen.

– „Ersatzbatterie wird nachgeladen“, sagte Pinocchio. „Wohin soll ich dich fahren?“

SENSA INSTRUZIONI

Der Tesla Roadster von Elon Musk, der 2018 an Bord einer Falcon Heavy-Rakete ins All geschossen wurde, setzt seine Reise um die Sonne fort. Seine genaue Position wird zwar nicht kontinuierlich mit Teleskopen verfolgt, aber Simulationen auf der Grundlage von NASA-Daten zeigen, dass er Anfang 2024 etwa 105 Millionen Kilometer (etwa 5,84 Lichtminuten) von der Erde entfernt war. Das Auto bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 7.000 Kilometer pro Stunde und absolviert etwa alle 557 Tage eine Umrundung der Sonne. Seit seinem Start hat es fast vier Sonnenumläufe absolviert.

Die Umlaufbahn des Roadsters wird für Millionen von Jahren stabil bleiben, aber es wird erwartet, dass er schließlich entweder mit der Erde, der Venus oder der Sonne kollidiert – obwohl dies frühestens in 15 Millionen Jahren der Fall sein wird.

Für Echtzeit-Updates verfolgen Websites wie „WhereIsRoadster.com“ die simulierte Position anhand der verfügbaren Weltraumdaten.

–*–

Alphateer und Betateer, zwei der führenden Wissenschaftler auf dem Exoplaneten Wega, saßen gerade in der „Coffeineria“ des Forschungsinstituts und genossen ihren Morgenkaffee. Da blinkte plötzlich auf beiden Smartbändern eine Nachricht auf: „Die Ente ist im Eis.“ Beide stutzten, warfen sich dann einen vielsagenden Blick zu. Das bedeutete nur eines – das rätselhafte Objekt, das seit gefühlter Ewigkeit durch die Leere des Alls trieb, war endlich auf Wega zur Landung gebracht worden.

„Na, das wird spannend“, meinte Alphateer und lehnte sich mit funkelnden Augen vor. „Die haben das Ding schon vor fünf Wegajahren entdeckt – angeblich aus dem Sonnensystem links, am Rand der Milchstraße.“

Betateer schmunzelte und rührte in seinem Kaffee. „Milchstraße, hm? Milch wäre hier auch nicht schlecht.“

„Lass uns sofort zum Hangar fahren. Ich möchte beim Öffnen des Dings dabei sein“, sagte Alphateer entschlossen. Beide standen auf und bestiegen ihr Aero-Fahrzeug, das sich sanft in den luftigen Berufsverkehr des Morgens einfügte. Während das Fahrzeug autonom durch die Himmelsstraßen glitt, scrollte Alphateer durch ein paar Bilder, die ihr Kollege Deltateer von einem kürzlichen Urlaub auf dem Exoplaneten Rossby geschickt hatte.

„Sieh mal hier, das ist Rossby! Angeblich ist der Verkehr dort komplett im Eimer. Stell dir vor, dort hat jedes Fahrzeug seine eigene Intelligenz und entscheidet selbst, wohin es fährt. Jeder muss also ständig abwägen, was die anderen wohl planen. Keine zentrale Steuerung, nichts! Bei uns regelt ‚Deep Arch‘ alles – unser Superrechner. Der gibt jedes Stück der Route exakt vor. Kein Denken, nur Fahren. Aber dort auf dem Rossby… Schau dir dieses Bild an – diese zwei Fahrzeuge! Es gibt dort Regionen, in denen die Autos links fahren, und andere, in denen sie rechts fahren. Wenn zwei unterschiedliche Fahrzeugwelten aufeinandertreffen, ist das Chaos vorprogrammiert!“

Betateer lachte und schüttelte den Kopf. „Verrückt, die Rossbys. Ich kann’s kaum glauben.“ Doch Alphateer verstummte, als das Fahrzeug am Hangar des Instituts landete.

Die massiven Tore öffneten sich lautlos, und vor ihnen lag ein Haufen Weltraumschrott, der im schwachen Licht der Hangar-Halle schimmerte. Ein Ingenieur trat ihnen entgegen und nickte freundlich.

„Die Sicherheitskontrollen sind abgeschlossen. Keine radioaktive Strahlung, keine gefährlichen Fremdkörper. Ihr könnt das Ding gerne anfassen, wenn ihr möchtet.“

Alphateer und Betateer näherten sich vorsichtig dem Objekt, das kaum größer war als ihr Aero-Fahrzeug. Die äußere Hülle war grob zerschrammt, ein Teil der metallenen Außenverkleidung verformt, als hätte es sich durch Jahrtausende des Alls gebohrt. An der Unterseite befand sich eine kuppelförmige Raumkapsel. Durch ein Sichtfenster war das Innere schemenhaft zu erkennen, doch die Details waren durch Verschmutzungen kaum auszumachen. Oben war eine seltsame Konstruktion befestigt, die einst komplex gewesen sein musste, jetzt jedoch stark beschädigt war – kosmische Strahlung hatte alles Nichtmetallische längst hinweggebrannt.

„Ein Fahrzeug? Oder… ein Alien-Artefakt?“ Betateer beugte sich neugierig vor.

Der Hangaringenieur, Omegateer, grinste und tippte an die Spitze der Kapsel. „Sieht eher aus wie ein Marketinggag von irgendeinem Planeten. Vielleicht hat da früher wirklich mal ein Alien dringesessen. Wenn ja, dann hat es die Reise jedenfalls nicht überstanden.“

Alphateer hob eine Augenbraue. „Meinst du, wir können es wiederherstellen?“

„Könnten wir versuchen. Unsere Rekonstruktions-Zeitmaschine sollte den Zustand zurückholen können, den es zu Beginn seiner Reise hatte“, antwortete Omegateer mit einem Nicken. „Aber das wird dauern. Ich sag euch Bescheid, wenn es so weit ist.“

Betateer schmunzelte und tippte auf sein Smartband. „Gut, Alphateer. Dann lass uns in der Zwischenzeit ein wenig Milch besorgen… für die nächste Milchstraßen-Expedition.“

Zwei Wegawochen später flogen Alphateer und Betateer erneut zum Hangar des Forschungsinstituts. Während der Fahrt ging das Gespräch schon wieder über den Exoplaneten Rossby und dessen scheinbar chaotisches Verkehrssystem.

„Deltateer hat mir erzählt, wie die Rossby-Ingenieure sich rechtfertigen mussten. Ein zentrales System, das nur dann funktioniert, wenn ab sofort alle Fahrzeuge darauf abgestimmt sind, ist geplant für die Luft – keine manuellen Vehikel mehr, keine Ausnahmen. Aber auf dem Boden herrscht das reinste Chaos: unterschiedliche Steuerungssysteme, fehlende Standards, und ständig Energieprobleme. Deltateer hatte sogar panische Angst und reiste nur in unterirdischen Tunneln – total langweilig und auch, naja, unweganisch für einen Urlaub,“ Alphateer schüttelte den Kopf und sah nach unten. Vor dem Hangar hatten sich inzwischen zahlreiche Personen versammelt, Kameras und Mikrofone in den Händen.

„Wir konnten das Objekt rekonstruieren,“ erklärte Omegateer, der Chefingenieur, sobald Alphateer und Betateer ausstiegen. „Das Original steht noch hier, aber daneben haben wir jetzt ein Duplikat, das dem Zustand entspricht, den es ungefähr fünfzig Wegajahre nach seinem Start hatte. Ein Hieroglyphist konnte auf dem Original eine Bezeichnung entziffern: ‚Roaster‘, oder so ähnlich.“

„Roadster, Sir“, korrigierte ihn ein Assistent, der in einer seiner vielen Hände ein Notizbuch hielt.

„Na dann, schauen wir uns das mal an!“ rief Alphateer, als sie sich dem glänzenden Vehikel näherten. Es war ein offenes, flaches Fahrzeug mit einem metallischen, schimmernden Lack, der im kühlen Licht des Hangars glänzte. In den Sitzen saß eine Figur, die auf den ersten Blick wie ein Lebewesen wirkte, sich jedoch bei näherer Betrachtung als starrer, menschenähnlicher Dummy herausstellte.

„Was ist das? Ein Alien?“ Betateer runzelte die Stirn.

„Keine Spur von organischen Überresten,“ sagte Omegateer. „Es scheint sich nur um eine Art Dekoration zu handeln. Interessant ist jedoch das Fahrzeug selbst – die Struktur und Technik geben uns einige Einblicke. Die Farbanalyse deutet auf eine Tönung hin, die alte Kulturen als ‚rot‘ bezeichneten.“

„Habt ihr irgendwo eine Bedienungsanleitung gefunden?“ fragte Alphateer.

„Nein,“ antwortete der Assistent. „Ein Reporter, der einige fremde Sprachen beherrscht, meinte nur: ‚Sensa Instruzioni.‘ Auf der Mittelkonsole steht auch noch ‚Don’t Panic‘. Die Bedeutung davon bleibt allerdings ein Rätsel.“

„Ach was,“ sagte Alphateer gelassen. „Wir sind Wissenschaftler – die Technik spricht für sich. Eine Anleitung brauchen wir wirklich nicht. In den Datenpaketen, die wir von fremden Planeten erhalten haben, steckte bislang auch kaum Verwertbares.“

„Stammten diese Datenpakete von der Erde?“ fragte Betateer. „Es heißt doch, dieses Ding könnte auch von dort kommen.“

„Umso besser, dass wir keine Anleitung haben,“ murmelte der Assistent mit einem schiefen Lächeln.

Die Forschergruppen verfielen nun in eine lebhafte technische Diskussion. Stimmen überschnitten sich, bis es schwer zu sagen war, wer was genau anmerkte.

„Der Antrieb scheint elektrisch zu sein. Reicht wohl nur für ein paar tausend Teppichlängen. Nicht besonders weit.“

„Es gibt zwei Pedale. Das könnte bedeuten, dass die Aliens zwei Füße haben.“

„Die Puppe hat ebenfalls zwei Füße. Scheint plausibel.“

„Und falls ein Fahrzeug drei Pedale hätte – bräuchten die dann drei Füße?“

„Bleiben wir am Boden: Der Roadster hat Räder. Also fliegen kann er wohl nicht.“

„Stimmt. Autonom scheint er auch nicht zu sein. Das Lenkrad deutet darauf hin, dass die Aliens selbst steuern mussten.“

„Vielleicht gibt es ja inzwischen ein neueres Modell, das schon autonom fährt,“ meinte jemand hoffnungsvoll.

„Dann würde es sicher den Weg zu uns selbst finden,“ fügte jemand trocken hinzu, und es ging ein Schmunzeln durch die Gruppe.

„Das Fahrzeug ist offen – die Außenluft muss also atembar sein. Die Gurte deuten darauf hin, dass die Schwerkraft gering ist. Die Passagiere mussten sich gut festhalten.“

„Und diese Kabel! So viele Verbindungen. Warum sollte man zwei Komponenten über Kabel verbinden, nur um sie zu steuern? Ein einfacher Elektronenduplikator hätte doch gereicht.“

In diesem Moment kam ein Journalist in den Hangar, Mikrofon vor sich hergestreckt, und sprach die Wissenschaftlergruppe an.

„Eine Frage: Kann man das Ding einschalten? Oder sogar fahren?“

Omegateer warf ihm einen leicht genervten Blick zu. „Es ist nur ein Hologramm. Aber unsere Ingenieure werden den echten Roadster nachbauen.“

Betateer beugte sich zu Alphateer und sagte leise: „Und wenn sie fertig sind, sollten wir ihn direkt nach Rossby schicken.“

…Ihr könnt weiterlesen, wenn das Buch erscheint…

Autonomes Fahren ist die technologische Fähigkeit von motorisierten Fahrzeugen, sämtliche Herausforderungen im Straßenverkehr selbstständig (autonom) zu meistern – also ohne menschliches Eingreifen.

Die Demokratur ist eine „Staatsform, die sich von einer Demokratie zu einer Quasi-Diktatur entwickelt hat“ und sich durch ein Demokratiedefizit auszeichnet. Sie entspricht in diesem Sinne einer Scheindemokratie.

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